DrehPunktKultur

Ulrich Drechsler zählt durch sein vielerorts gefeiertes Ensemble „Café Drechsler“ seit einigen Jahren zu den Fixsternen der Österreichischen Musikszene. Während sich das Trio mit seinem zielsicheren Mix aus elektronischer Musik und akustischen Improvisationen mittlerweile zum Preisträger des österreichischen Amadeus Award empor gespielt hat, veröffentlichte Headmaster Ulrich Drechsler im Mai dieses Jahres mit „Humans and Places“ sein erstes Solowerk. Um die Eigenkompositionen seinen Vorstellungen entsprechend umsetzen zu können, gesellte er sich neben seinen langjährigen musikalischen Freunden Oliver Steger (bass) und Jörk Mikula (drums) auch den norwegischen Ausnahmepianisten Tord Gustavsen an seine Seite. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit wurde am 29. Mai im Wiener Konzerthaus und am 1. Juni im Salzburger JazzIt präsentiert.

Und schon nach wenigen Takten wird klar, dass Ulrich Drechsler auf seinem Solo-Silberling die funkigen Rhythmen des Cafés gegen warme Soundcollagen, lyrische Melodien und feinfühlige Melancholie eingetauscht hat. Ganz der Bassklarinette als seinem Hauptinstrument verschrieben tänzelt Drechsler neben seinen „Soulmates“ mit ansteckender Leichtigkeit und eleganter Coolness durch zeitlose Räume („Where Time Stands Still“) und lässt den im nicht enden wollenden Frühlingsregen gefangenen Zuhörer von wärmeren Gefilden träumen („The Bosporus at Dawn“). Tord Gustavsen – selbst Garant für meditative Improvisationslinien von verhaltener Brillanz – nimmt die begnadete Poesie, mit der Drechsler zu erzählen weiß, in sein Spiel auf, lässt sich berühren, inspirieren und versteht es den Schönklang weiterzuspinnen („Graceful Touch“): „Two Boys“ auf dem Weg in die Selbstverlorenheit und doch verlieren sie dabei nie die Klarheit der Linien und den fest gebauten Rythmusboden unter ihren musikbeflügelten Füßen. Improvisation und Komposition greifen nahtlos ineinander, vermeintliche Schlichtheit und Schnörkellosigkeit geleiten den Hörer in den Lehnstuhl um ihm dort noch intensiver in wohlklingenden Tonfolgen und lyrischer Kuscheligkeit zu betten. Augen zu!

Ulrich Drechsler und sein Quartett verstehen es auf „Humans & Places“ eindrucksvoll aus Ruhe und Gelassenheit Klanggebäude zu errichten, die in ihrer geschmeidigen Gewandtheit und Virtuosität verzaubern und zugleich unbändigbare Kraft versprühen. Wohl unbewusst der Vorgabe Tom Waits’ folgend, dass zu einem guten Song vier Ingredienzien gehörten, nämlich Plätze, Menschen, Essen und Traurigkeit, lassen uns Drechsler und co. nur die passende Mahlzeit selber wählen, alles andere findet man auf „Humans and Places“ zu Hauff’! Eine schöne Auswahl!

Oliver Baumann – 06/06

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