Falter | 8 – Steiermark

Ángela Tröndle gehört zu den umtriebigsten Musikerinnen der Grazer Jazzszene. Wann immer es ein neues Festival oder eine neue Konzertreihe gibt, kann man sichergehen, dass ihre Finger oder Stimme mit im Spiel sind. So ist sie Mitbegründerin der Grazer Jazzwerkstatt und der monatlichen Konzertreihe „Fat Tuesday“. Geboren ist die Sängerin und Komponistin 1983 in Salzburg. Seit 2001 ist sie in Graz wohnhaft und hat nun im Jänner als erste Frau der Grazer Universitätsgeschichte das Masterstudium Jazzkomposition abgeschlossen. Nebenbei hat Ángela Tröndle mit ihrer Band Mosaik ihr zweites Album „Eleven Electric Elephants“ produziert, das seit vergangener Woche in den Plattenläden steht. Seit zwei Jahr hat sie sich auch in Wien eingenistet und wird demnächst noch größere Kreise ziehen, mit einer Auftragskomposition für das kommende Feldkirchfestival und mit drei Konzertterminen in Mexiko.

Falter: Hört man das Stück „Balkonien“ auf der neuen Platte, könnte man meinen, dass Sie sich inzwischen in Wien mehr zu Hause fühlen als in Graz.
Ángela Tröndle: Wien war für mich in den letzten zwei Jahren ein Rückzugsort. In Graz habe ich studiert, unterrichtet und gearbeitet, in Wien sehr viel komponiert und viele kulturelle Angebote genutzt, um Inspiration zu sammeln.
Falter: Sie vertonen auf der neuen CD wieder ein Rilke-Gedicht. Was interessiert Sie daran?
Tröndle: Das Gedicht „Herbst“ war der ausschlaggebende Punkt zu sagen: Ich will noch etwas Neues machen, das sich vom Jazz ein bisschen wegbewegt. Im Gegensatz zu den anderen Stücken ist der Song „Herbst“ sehr klassisch komponiert, und es wird nichts improvisiert. Und ich singe auf Deutsch. Das ist auch etwas Neues für mich.
Falter: Was spricht eigentlich gegen eigene deutsche Texte?
Tröndle: Das Rilke-Gedicht singe ich ganz klassisch. Da findet sich nichts Jazziges oder Poppiges im Gesang, was bei meinen englischen Songs durchaus der Fall ist. Aber wenn etwas auf Deutsch so angeschliffen intoniert wird, bekommt es sofort diesen Schlagertouch. Das klingt bei mir auch nicht anders, damit will ich nichts zu tun haben. Außerdem kommt auf Deutsch einfach alles unglaublich direkt. Mit deutschen Texten hätte ich ein bisschen das Gefühl, dass die Leute mir zu nahekommen.
Falter: Ist das eine Art, sich zu verstecken?
Tröndle: Natürlich. Man gibt nicht alles preis. Ich finde das angenehm, weil ich auf der Bühne ohnehin unglaublich viel von mir zeige.
Falter: Ihr seid eine junge Band, wirkt aber im Vergleich zu aktuellen Rockbands wie zum Beispiel Kreisky doch relativ gesetzt. Das Rebellische interessiert euch nicht als Haltung?
Tröndle: Die CD kann nur eine Momentaufnahme sein, etwas Statisches. Wenn man uns auf der Bühne sieht, kann man erleben, wie sich auch Spannungen aufbauen, wir plötzlich komplett ausfreaken. Das Komponieren ist dagegen oft eine sehr einsame Arbeit. Danach weiß man es wieder zu schätzen, mit Musikern auf einer Bühne zu stehen und zu interagieren.
Falter: Das Komponieren und das Spielen – trennen Sie das strikt?
Tröndle: Zum Schreiben ist eine gewisse Ruhe schon von Vorteil. Wobei ich auch gelegentlich zwischendrin schnell etwas schreibe. Wenn ich irgendwo ein Klavier habe, setze ich mich hin und fange an zu spielen. Und dann ist manchmal nach zwei Minuten schon etwas vorhanden, von dem ich weiß, das wird etwas. Wenn ich am Klavier sitze, blendet sich alles rundherum aus.
Falter: Als Sängerin haben Sie viele weibliche Kolleginnen. Komponistinnen gibt es nicht viele. Woran liegt das?
Tröndle: Schwer zu sagen. Nachdem ich mein Kompositionsstudium beendet habe, habe ich ein Gratulationsmail der Genderabteilung der Kunstuniversität bekommen. Ich bin die erste Frau, die Jazzkomposition studiert hat. Das ist schon Wahnsinn, dass ich damit in die Geschichte der Kunstuniversität eingehe, weil es das Studium eigentlich schon lange gibt.
Falter: Sie engagieren sich auch in der Grazer Jazzszene. Lohnt sich die Arbeit?
Tröndle: Ja, das hat sich als sehr produktiv und schön erwiesen. Weil man auch sehen kann, wie Bands, die fünf bis sieben Jahre jünger sind, mit der Jazzwerkstatt eine Plattform bekommen und anfangen, selbst Gigs zu checken. Plötzlich merkst du, du hast etwas dazu beigetragen, dass das passiert.
Falter: Macht man sich damit am Ende nicht auch selbst ein wenig Konkurrenz in einer ohnehin kleinen Szene?
Tröndle: Nein, überhaupt nicht. Durch die vielen Projekte und Initiativen macht man sich auch einen Namen und bekommt Möglichkeiten, in Clubs und auf Festivals zu spielen, zu denen man früher nicht eingeladen worden wäre. Oder man wird auf einmal auf Ö1 angesagt, zwischen Boulez und Händel. Das ist schon was.

Marcus Guldenschuh – 24.02.2010

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