Jazzzeit | 63

Ulrich Drechsler hat es heuer mit dem Glück. Mit „Fortune Cookie“ präsentiert er heuer eine weitere CD und seine neue Band. Was dieser musikalische „Glückskeks“ für Die bereithält, können Sie am 18.11. im Rahmen der aktuellen Chagall-Ausstellung in einer Art Vorpremiere live erleben, bevor die Band offiziell zu touren beginnt.
Alles andere als kalten Kaffee serviert der Vierer Drechsler/Steger/Mikula/DJ Zuzee mit „Fortune Cookie“ dem schlicht unter dem Nachnamen des deutschen Saxophonisten veröffentlichten CD-Neuling aus dem Hause cracked anegg records. Denn das DJ Zuzee von den Waxolutionists als vollwertiges Mitglied in die Band integriert wurde und mit seinen Plattenspielern erfreulicherweise nicht die Rolle eines Lückenfüllers zugewiesen bekommt, sondern sehr wohl als eigenständiger Musiker wahrgenommen wird, ist keine Selbstverständlichkeit in diesem Zusammenhang. „Es war von Anfang an klar, dass der Zuzee von Anfang bis Ende mitspielt, nicht nur dann, wenn ich gerade pausiere“, erklärt Ulrich Drechsler, für dessen Spiel sich durch das Wirken des Turntable-Wizards zahlreich neue Impulse ergeben. „Er füllt die Räume, die es gibt, perfekt aus. Im Trio mit Schlagzeug/Bass/Saxophon sind die klanglichen Möglichkeiten relativ beschränkt, gerade wenn man sich nur auf Rhythmus-Vehikel reduziert, also ohne große Soli-Arbeit auskommt, muss man sich ständig etwas tolles Neues einfallen lassen, damit das ganze interessant bleibt.“
„Er setzt die Turntables auch irgendwie so ein, wie ich mir einen Vokalisten wünschen würde in so einem Zusammenhang, weil er eben wirklich mit diesen Vokal-Motiven arbeitet und sie wie Themen variiert“, ergänzt Bassist Oliver Steger. „Jazz ist für mich die offenste und experimentellste Form von Musik überhaupt, und von professionellen Musikern in dieser Form akzeptiert zu werden ist für mich schon eine schöne Auszeichnung“, gibt der Meister an den Plattenspielern das Kompliment zurück. „Dieses Improvisieren unter Live-Bedingungen ist für mich als DJ noch einmal ein ganz anderer Kick, da muss ich meine Möglichkeiten an den Turntables wirklich voll ausschöpfen.“
„Wir haben einfach versucht, das erfolgreiche Live-Konzept aus Cafe Drechsler-Zeiten im Studio fort zu führen“, beschreibt Oliver Steger den ursprünglichen, reduzierten Zugang der in kürzester Zeit entstandenen Produktion. „Auf diesem Album wollten wir wirklich nur das machen, was sich auch live umsetzen lässt. Das heißt keine Sängerinnen, keine zusätzlichen elektronischen Hilfsmittel, keine Overdubs.“
Mit dem Schlagzeuger Jörg Mikula, der u.a. in den Ensembles von Timna Brauer und Sandy Lopicic sowie im Peter Rom Trio seine musikalische Vielseitigkeit beweisen durfte, ergibt sich von der Funk-, Mid- und Downtempo-Schiene aus auch schon mal eine Ausfahrt in Richtung Drum’N’Bass. Zu diesen Gelegenheiten greift Ulrich Drechsler übrigens ganz gern zu seiner „Grunge Kontrabass-Klarinette“, die sich in Kombination mit der Live-Elektronik durchaus als die richtige Wahl erweist.

Martin Gansinger – 14.11.06

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