Leipziger Volkszeitung

Hans Koller und Joe Zawinul sind tot. Natürlich gibt es dennoch eine vitale Jazzszene in Österreich. Und wie anderswo wächst sie von den Rändern her. Wolfgang Puschnig, die Muthspiel- Brüder, die großartige Jazz Bigband Graz, Harry Sokal, Karl Ratzer … Selbstverständlich Mathias Rüeggs Vienna Art Orchestra und die von dort Vorgedrungenen und Desertierten, die irgendwann ihr eigenes Ding machten.
So oder so Zeit für eine Generationsablösung. Die findet statt, denn die Jazzwerkstatt Wien hat sich ansehnlich ausgewachsen mit jungen Musikern, um die herum eine Plattform für den Nachwuchs entstand. Keine kleinen Brötchen, die man da bäckt: Man beobachtet und beeinflusst sich helfend. So wachsen die Projekte. „Das ist mir wahnsinnig sympathisch“, sagt Lorenz Raab. Er spielte mit vielen der Genannten, zuverlässig, gediegen, auf seine wundervollen Melodieschleifen setzend. Als eine noch in komplizierten improvisatorischen Situationen sichere Bank, auch auf dem Flügelhorn. Immer neue Klangbilder interessieren ihn, wozu er seine Trompete oder die seltene Slide-Trompete auch perkussiv und als Noiseinstrument einzusetzen versteht.
Doch in keinem Kontext gehört er zum inneren Kreis. Am liebsten ist er sein eigenes Gravitationszentrum; am stärksten ist Raab, wenn auch Raab draufsteht. Und das spricht für ihn. Das Trio „Bleu“ zum Beispiel hat innerhalb des globalen neuen Chics der Trompeter mit dezidiert schöner Musik sein ganz eigenes Flair, indem es Hackbrett und Tuba integriert. Zupackend und rocknäher zur Sache geht’s mit der :XY Band: zwei Kontrabässe, Drums, Trompete, Zither. Und das Oktett Zoé ist die Summe beider Bands plus die wundervolle Harfenistin Zeena Parkins aus New York. Seine Musik vergleicht Raab, wie sich das für einen Österreicher gehört, mit dem Riesenslalom: „Man muss im Kopf haben, wo das Tor steht.“ Und weil die besten Dinge unerwartet kommen, hat er seit ’03 einen Job als Solist an der Wiener Volksoper. Wichtig ist gute Musik, hat er, 1975 in Oberösterreich als Sohn eines Kapellmeisters geboren, von Anfang an gelernt. Nun hat er mit präzise ausgewogenem Spiel ausschließlich auf dem Flügelhorn eine CD mit schlüssig in sich ruhender Musik aufgenommen – Triotonic als Partner. Noch so eine junge Band aus Austria, die dem Balladesken eines Tord Gustavsen näher ist als dem Zuschlagenden von zum Beispiel The Bad Plus. Sie lieben und zelebrieren das eher Reduzierte, Sangliche, Raum-Lassende. Eine ideale Umgebung, in der Lorenz Raab seine kontemplative Melodienseligkeit schwelgerisch zum Tragen kommen lassen kann. Nach Vorbildern gefragt, sagt er: „Miles, Coltrane und Strawinski“. Mit längerem Überlegen fallen ihm Charles Lloyd und Tomasz Stanko ein, „weil sie das Aufgedrehte des Betriebs Schritt für Schritt in eine große innere Weisheit transformiert haben.“ Ulrich Steinmetzger ⁄Triotonic meets Lorenz Raab: The Colour of Four.

Ulrich Steinmetzger – 02.01.2009

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