Wiener Zeitung

Warum kann mein Schwein fliegen?, fragte der Mann in der Wildnis. Weil es in einem Kuckucksnest geboren wurde, antwortet die Ich-Erzählerin. – Seltsam, aber so steht es geschrieben im Text eines anonymen Autors. Als absurden Scherz fasst man die Worte aber nicht auf, wenn sie Ángela Tröndle erst einmal in Musik gekleidet hat: Die 29-Jährige aus Salzburg ist nicht nur Eignerin einer charismatischen Stimme, sie verfügt auch über ein nachgerade musikdramatisches Talent. Mit fein rhythmisierten Chorstimmen beschwört sie Waldmystik; darunter grundelt geheimnisvoll ein Cello, darüber schraubt sich der Gesang: bald sanft kosend, bald mit kecker Emphase. Das Kleinod von „The man in the Wilderness“ auf Tröndles neuer CD „Time Out Time“ – es beweist das gleiche wie gute Kammermusik: Man braucht weder Bombastik noch abendfüllende Länge, um eine gefühlsechte Welt aus Klang zu formen.
Eine gewisse Klassiknähe vermittelt zwar auch die Besetzung rund um die klavierspielende Sängerin, nämlich mit Cello, Bassklarinette und Perkussion. Tröndles „Little Band from Gingerland“ erweist sich aber nicht nur durch ihre große Wirkmacht in der Nuance, sondern auch stilistisch als Raumwunder. Bereits die Eröffnungsnummern oszillieren fließend zwischen Folklore, Pop, Jazz und feinnervigem Kunstlied. Und dass der Frontfrau, die ihr Vorgängeralbum mit einem Streichquartett aufgenommen hat, vor lauter Feinsinnigkeit nicht der Humor abhandenkam, zeigt ihre skurrile Klavierimprovisation über einen Spammail-Text: „Ich sind eine Dame, die Ihre Freundschaft und möglicherweise mehr sucht . . .“ Wer nach einem Konzerttermin sucht: Live am nächsten Montag im Wiener Porgy & Bess.

Christoph Irrgeher – 05.04.2012

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