Concerto 04|2015

Es ist ein weites Feld, dieses Wienerlied, das neue. Immer noch stürzt sich der beflissene Bildungsbürger mit erweiterem Heimatbewusstsein auf alles, wo ds Etikett drauf pickt. Die 5/8terln, das Kollegium Kalksburg, gar ein Ernst Molden und noch viele mehr frofitieren davon. Eine allem Augenschein nach kompetente Person, Roland Neuwirth, hat es vor ein paar Jahren, im Zuge eines Interviews zu seinem 60. Geburtstag, so erklärt: „Alles, was die entsprechende Melodik benutzt, ist ein Wienerlied. Bei allen möglichen Leuten schreibt irgendwer, das ist das neue Wienerlied, nur weil sie Dialekt singen. Wenn ein Chinese die entsprechende Melodik benutzt und auch chinesisch singt, dann ist es trotzdem ein Wienerlied“.
Strengen Ansprüchen wollen weder das Trio Lepschi noch die Strottern gerecht werden. Jeder für sich zaubert in seinem Selbstverständnis, mit unterschiedlichen Resultaten, jedoch jeweils höchst respektabel. Grantige Melancholie inklusive.

Die Strottern haben sich erneut mit der Zusammenarbeit mit Musikern der Jazzwerkstatt Wien eine Freude gemacht. Die Musik wurde dementsprechend auch zum Teil von Mitgleidern wie Clemens Wenger, Lukas König oder Peter Rom komponiert. Immer noch als typisch Strottern erkennbar, steht die musikalische Erweiterung den beiden Strottern, Klemens Lendl und David Müller, wieder ausgesprochen gut. Hier eröffnen sich einfach ganz neue Möglichkeiten, es wird Platz geschaffen für freie Impovisationen, aber auch für lateinamerikanische Spielarten, für Swing, Ragtime, sogar für Raggae, wie beim herrliche verschleppten „A Oaschloch Allanech“. Mit Peter Ahorner steuert der vermutlich produktivste Autor des neuen Wienderlieds wie gewohnt seine glanzvollen Texte bei. Zentral ins Werk eingebettet, befindet sich jedoch die Josef Mayer-Limberg Suite, die insgesamt sieben Teile umfasst. Ein alter Meister der Wiener Mundartdichtung, ein Ottakringer und Freund der Großeltern von Klemens Lendl findet hier eine angemessene Würdigung. Innerhalb der Suite befindet sich auch die experimentierfreudigste Periode des Werkes. […]

Werner Leiss – August 2015

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