Wiener Zeitung

[…] Aber es ist nicht nur das Trio Lepschi, das das Wienerlied auf derart kreative Weise weiterentwickelt und mit (welt-)musikalischen Traditionen vermählt. Auch die Strottern haben sich auf ihrem neuen Album, „Wo fangts an“, unterschiedlichsten Klangräumen und -kulturen geöffnet. Das war vor allem deshalb möglich, weil die Platte wiederum (wie schon „Elegant“ 2009) in Kooperation mit der Jazzwerkstatt Wien entstand. Mit sieben Musikern dieses virtuosen Kollektivs verstärkt, geht die Reise des Duos Lendl/Müller diesmal durch kubanische Gefilde (gleich im Eröffnungslied „Schaun zaahn drahn“), es gibt Ragtime- und Reggae-Anklänge (etwa auf der hübsch betitelten Nummer „A Oaschloch allanech“) und mitunter trötet es auch unverhohlen free-jazzig.

Die Texte stammen teils von Peter Ahorner, mit dem die Strottern eine langjährige fruchtbare poetische Beziehung pflegen und dessen Stimme auf zwei Liedern in Rezitativen erklingt, teils von Josef Mayer-Limberg (1911- 1992), einem kleinen Großmeister der Wiener Mundartdichtung, den Klemens Lendl als Freund seiner Großeltern einst kennen lernte – und dem er hier ein Denkmal setzt: Sieben Gedichte werden zu einer „Josef Mayer-Limberg Suite“ verbunden und vertont.

Alle diese, aber auch die meisten restlichen (der insgesamt 14) Lieder sind im Gegensatz zum höheren Klamauk der Lepschis eher wienerisch melancholisch grundiert. Sie ziehen mehr nach unten, gehen damit aber auch bisweilen noch tiefer. Wobei Klemens Lendl natürlich auch ein höchst gewiefter und charmierter Conferencier dieser moribunden Stimmungen ist. Auf der Bühne von enormer Präsenz und Dichte – Strottern und Jazzwerkstatt haben zuletzt im Monatsrhythmus acht umjubelte Konzerte im Wiener Porgy&Bess-Club gespielt -, ist davon auf der Platte viel, aber naturgemäß nicht alles eingefangen.

Beide Formationen, Trio Lepschi wie Strottern (und das gilt für wesensverwandte Gruppen wie Kollegium Kalksburg oder 5/8erln in Ehren ebenso), sind live sowieso noch viel ausdrucksstärker als auf Platten, weshalb diese jeweils nur als Aperitif bzw. Digestif, also zum Aufhorchen bzw. Nachhören dienen können. Das aber – wie’s fürs Wienerlied gehört – durchaus promillestark. Ein Doppel-Prost.

Gerald Schmickl – 27.06.2015

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