Die Presse am Sonntag – Interview

Ein Hygieneprodukt aus Kanaldreck – Die feinsinnigen Strottern legen mit „waunsd woadsd“ ein neues Meisterwerk vor. Im Interview erzählen sie, warum das Wienerische auch im Ausland gut ankommt.

Was sind die Ursachen für den Boom des Neuen Wienerlieds?
Klemens Lendl: Als wir begonnen haben, vor ca. 25 Jahren, da hat ungefähr zeitgleich das Kollegium Kalksburg angefangen. Damals gab es kaum etwas. Steinberg/Havlicek gab’s noch und Emmerberger/Häuser und aus. Und den Roland Neuwirth gab es natürlich, aber der war eine andere Generation. Über die Jahre waren wir nicht unerfolgreich, die Kalksburger und wir. Unser moderner Zugang hat für neue Aufmerksamkeit gesorgt. Für die Jungen ist das Genre so wieder spannend geworden.
David Müller: Dass in der eigenen Sprache gesungen wird. Da kann man sich als Hörer gleich fallen lassen. Ein Voodoo Jürgens und ein Nino aus Wien gehen auch super mit der Sprache um.

Wie geht es den Strottern außerhalb der österreichischen Grenze?
Lendl: Dort sind wir immer gut angekommen. Die mögen unseren Dialekt, die österreichische Haltung. Auch in Südtirol sind wir zuweilen zu Gast. Aber aggressiv in unserer Expansion sind wir nicht. Kein Management in Deutschland. Verblüffend ist halt, dass es überall funktionert. Sogar in Rügen.

Woran liegt das?
Müller: Sicher nicht am Radio. Es ist beschämend, dass Radio Wien keine Wiener Musik spielt. Jedes andere Landesradio nimmt sich der lokalen Tradition an. In Wien passiert das nicht, obwohl so viel los ist in der Szene. Das ist völlig absurd, die haben Null Eier.

Gab es für das neue Album „waunsd woadsd“ eine Grundidee?
Lendl: Nein. Das Einzige was wir wieder machen wollten, war eine CD, die unser Ureigenstes ist. Wir haben ja zuletzt viel Theater gemacht bzw. mit der Jazzwerkstatt gearbeitet. Vier Lieder von „waunsd woadsd“ sind von Gemälden inspiriert, die im Kunsthistorischen Museum hängen. Wir machen ja auch bei Ganymed mit.

Wo machen Sie das Wienerische im Gemüt fest?
Lendl: Man kann dem ein bisserl auf die Spur kommen, wenn man sich ansieht, wo die Lieder wirken. In Thüringen funktioniert es wahnsinnig gut. Dort fühlt man offenbar deckungsgleich wie in Wien. Das gebrochene Selbstbewusstsein dürfte das das Zentrum dieses Wiener Gemüts sein. Auch Weimar war einmal der Nabel der Welt, dann war es ein Kaff hinter dem Eisernen Vorhang. Ein ähnliches Schicksal hatte auch Wien. Nur war es das Kaff vor dem Eisernen Vorhang.

Was unterscheidet Euch sonst vom klassischen Wienerlied?
Lendl: Wir schreiben auch Liebeslieder, die gibt es in der Tradition nicht. Da gibt es zwar jede Menge Frivoles, aber nichts Amouröses. Zudem pflegen wir in unseren Texten die direkte Ansprache, ein aus der Popmusik übernommenes Element.

Wie haben Sie den Peter Ahorner kennengelernt, der viele Ihrer Texte geschrieben hat?
Lendl: Bei einer Produktion von Peter Hofbauer im Metropol sind wir zusammengespannt worden. Wir haben uns gleich in ihn verliebt. Er hat uns einen Text mitgegeben, den wir sofort vertont haben. Das war 2001. Wir waren damals fast am Ende mit der Musik. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt alle alten Lieder gespielt. Peter Ahorners Text hat uns neu auf Schiene gesetzt.

Wie finden Sie es als Klosterneuburger, dass Vizekanzler Strache kurz zugezogen ist?
Müller: Man sieht ihn kaum. Es wohnen mittlerweile so viele arge Leute in Klosterneuburg. Da fällt der Strache gar nicht auf.

Wie kam es ursprünglich zu Ihrem Namen?
Lendl: Wir brauchten mal für einen Auftritt recht kurzfristig einen Namen. Da kam mir „Strottern“ in den Sinn. Ich hätte nicht gedacht, dass ich den Bandnamen ein zweites Mal verwenden würde. Mittlerweile mögen wir den Namen sehr, weil er Typen bezeichnete, die im Kanal nach Verwertbarem suchten. Das war damals hauptsächlich Fett, das in einer Butte gesammelt und dann dem Seifensieder verkauft wurde. Jahre später haben wir einen pensionierten Magistratsbeamten kennengelernt, der uns erzählt hat, dass er es war, der den letzten Gewerbeschein eines Kanalstrotters gelöscht hat. Aus dem Kanaldreck ein Hygieneprodukt zu machen, diese Idee finde ich schön.

Samir Köck – 27.05.18

 

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