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Als ich Kevin Mahogany zum ersten Mal live erlebte – 1995 auf den Jazztagen in Leverkusen – war ich schwer beeindruckt. Da stand jemand auf der Bühne, dessen Stimme mühelos den Konzertsaal füllen konnte, der aber auch feine, differenzierte Töne beherrscht wie wenige männliche Sänger . Der 1958 in Kansas City, Missouri geborene Bariton findet stets die richtige Ausdrucksweise, ob als Scatter alter Schule, ob in Begleitung einer kleinen Combo oder auch als Solist vor einem größeren String-Orchester. An der Stimme kann es nicht liegen, dass Mahogany nicht der ganz große Durchbruch gelang – vielleicht muss er eine seltsame Kappe auf den Kopf setzen und die Sommers wie Winters nicht mehr abnehmen, um in der Öffentlichkeit endlich den Platz zu erringen, der ihm künstlerisch zusteht.
Das nun erschienene Album The Vienna Affair zeugt zum einen, wie nicht anders zu erwarten, von Mahogany großartiger Stimme, zum zweiten aber auch von seiner besonderen Liebe zu Wien, einer Stadt, mit der ihn nach eigenen Worten “a long term love affair” verbindet. Folglich wurde The Vienna Affair auch in Wien aufgenommen. Begleitet wird Mahogany von einem Trio, das aus österreichischen Topmusikern gebildet wird. Neben Pianist Erwin Schmidt, der den Sänger bereits vor 16 Jahren begleitete, bilden Gitarre-Allrounder Martin Spitzer, der unverzichtbare Joschi Schneeberger am Bass und Drummer Mario Gonzi, der unter vielen anderen Peter Herbolzheimer, Eddie Lockjaw Davis, Sal Nistico, Claudio Roditi, Clark Terry, Vincent Herring und Paquito D’Rivera begleitet hat. Kurz: hier zelebrierten vier bestens miteinander vertraute Topleute ein hochkarätiges Treffen, das nun erfreulicher Weise als CD vorliegt.

Mahogany stellt auf dem Album einige feine Eigenkompositionen vor, deren witzige, selbstironische Texte den ansonstigen Zutaten (virtuoser Gesang, virtuose Begleitung, eingängige Melodien) den besonderen Pepp geben. So singt Mahogany darüber, dass er sich wünscht, mit Michael Boublé befreundet zu sein, damit er bei diesem mitsingen kann. Das klingt nun mehr als böse, wie es gemeint ist, kann ich letzendes nicht sagen, ob der Text also auf ein konkretes Ereignis Bezug nimmt. Eins steht immerhin fest: wenn der Song ohne Ironie Sinn macht, dann nur bei umgekehrter Rollenverteilung.
Sehr souverän auch der Scatgesang, den Mahogany einige Male von der Leine lässt, hier erkennt man seine Nähe zu Al Jarreau, der für den 18 Jahre jüngeren ein Vorbild war und ist. Von den insgesamt zehn Titeln der CD sind nur zwei Fremdkompositionen, ansonsten zeigt der Sänger mit den übrigen acht, dass er nicht alleine ein begnadeter Sänger, sondern auch ein seriöser Komponist und Texter ist. Kurz gesagt also: ein meisterhafter Sänger, eine erstklassige Begleitband und ein eindeutig von Liebe und Leidenschaft zur Musik getragenes Album, dem ich viel Beachtung und Lobpreisung wünsche. Womit ich ja jetzt schon mal hier angefangen habe.

awb – 10.04.2015

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