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Der Spittelberg unmittelbar hinter dem MuseumsQuartier im 7. Wiener Gemeindebezirk (Neubau) ist mit seinen Biedermeierhäusern, gemütlichen Gassen, dem Weihnachtsmarkt und vor allem durch die Lokaldichte zu einem Wiener Szeneviertel geworden. Und da gehören sie hin, das Neo-Wiener-Lied-Duo Die Strottern, und nicht in die Touristen-Heurige vor den Toren der Stadt. Bei dem Live-Mitschnitt von zwei Konzertabenden im Theater am Spittelberg im August 2010 haben sich Klemens Lendl (Gesang, Geige) und David Müller (Gitarre) ganz auf das traditionelle Wiener Liedgut des 19. und 20. Jahrhunderts konzentriert. Da werden überkommene Melodien gesungen (ob es sich um Klassiker des Genres oder eher unbekannte Stücke handelt, kann ich als Nordlicht nicht beurteilen), aber auch eine Wiener Version von Tom Waits „Day After Tomorrow“. Der Wiener Humor kommt nicht zu kurz, wenn man davon träumt, dass die Russen / Amis / Marsianer einmarschiern. Aber solln’s nur ruhig einmarschiern, wir werden’s schon demoralisiern, nämlich mit Schmäh, Sachertorte, und Sängerknaben („I maan, i tram“). Mittendrin Soldatenlieder aus dem 1. Weltkrieg, und der Wiener Charakter ist dem Schwejk näher denn dem Gröfaz. Andere Rassen schreiten vorwärts, mir san an müde Völkerschaft und machen net mit („Da san mir net scharf drauf in Wien“) (Manfred Wieninger)
Das ist Wienerlied pur, aber jenseits von sich zu Tode fressen und zu Tode saufen und dabei permanent Fetzen von Wienerliedern krächzen.

Tom Keller – märz 2011

 

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