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Gleich zu Beginn der neuesten Platte von Gina Schwarz steht man vor der Frage, wer verbirgt sich hinter dem „Dr. Jekyll und Mrs. Hyde“, dem ersten Stück der CD? Bezieht man sich auf die unglaubliche Wandlungsfähigkeit des literarischen Vorbildes, so stehen Gina Schwarz und Jim Black musikalisch dem in Nichts nach. Der Titel stimmt ein auf das Album, das „die eine Schwarz“ am Kontrabass mit dem anderen „Schwarz“ am Schlagzeug Jim Black, der E-Gitarre von Heimo Trixner, Fabian Rucker und seiner Bassklarinette, Benjamin Schatz am Piano, mit dem ein oder anderen Verzerrer und diversen Improvisationen mit viel Energie eingespielt hat. Die Wienerin studierte Jazz-Bass und Akkordeon zunächst in Wien und später mit Stipendium am Berklee College of Music in Boston. Auszeichnungen reihen sich bei der Ausnahmebassitin aneinander. Auch die Namen derer, mit denen sie schon gespielt hat, oder in ihrem Fall muss man eher sagen, die das Vergnügen hatten, sie als Sidewoman gewinnen zu können. Dazu ist sie ist eine großartige Bandleaderin und Komponistin, erfüllt einen Lehrauftrag für Bass Popularmusik an der Universität in Wien und ist nicht zuletzt Workshopdozentin, so z.B. auf der Frauen Musik Woche 2014.
Für ihr neuestes Projekt „Woodclook“ hat sie obige Formation zusammengestellt und die Schlagzeuglegende Jim Black hinzugefügt. Beide stecken auch hinter den Kompositionen „Rats&Bats“ und „Broadcasters at Work“, die restlichen Titel stammen aus ihrer Feder. Jim Black ist in Seattle/Washington aufgewachsen und studierte ebenfalls am Berklee College of Music in Boston. Arbeitete in den folgenden Jahren mit einigen großen Namen zusammen, darunter auch Charlie Haden, dem großen Bassisten, über den man sagte, er konnte schon mit einem einzelnen Ton Musik erzeugen. Ihm hat sie den nach seiner Heimatstadt benannten Titel „From Sheandoah“ gewidmet. Nach einem Pianointro stimmt der Bass zunächst in die Melodie ein, die dann von der Bassklarinette übernommen wird. Ein sentimentales Stück, dass sich von den anderen Titeln durch seine Klarheit abhebt. Mein Favorit der Platte ist der Titelsong „Woodclock“. Mit dem kratzenden Bass zu Beginn, der Stimme des österreichischen Rappers Marco Blascetta, der dazu Edgar Allen Poe’s „The Bells“ spricht, entsteht ein cooler Groove, der ein wenig an Tom Waits erinnert. Im Titel „Morpheus“ läßt Schwarz ihren Bass gar wie die Stimme Morpheus‘ singen. Durch das Streichbass-Solo entsteht eine fantastische Stimmung, unterstützt vom einfühlsamen Schlagzeug und der wechselseitigen Unterhaltung von E-Gitarre und Saxophon.
Die Frage, ob das neue Album an den großen Erfolg von „Jazzista“ anknüpfen kann, beantwortet sich beim Hören eigentlich von selbst. Zwischen den Alben ist viel passiert und das bringt sie hier auf den Punkt oder besser auf die Platte. Ein anderer Stil, ein anderer Sound, eine Weiterentwicklung auf hohem Niveau und doch mit Wiedererkennung. Von mir ganz klar: Prädikat absolut hörenswert.

Anja Klein – 08.07.2016

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