Salzburger Nachrichten

Wie aus Distanz überraschend Nähe entsteht
Ángela Tröndle und Pippo Corvino: Zwei Musiker komponieren gemeinsam via Internet.

Ihr Arbeitsplatz, erzählt Ángela Tröndle, sei irgendwann von Papierschnipseln völlig übersät gewesen: In ihrem Heimstudio zerriss die Salzburger Musikerin kurzerhand alle Zettel, die sie sich zuvor sorgfältig zurechtgelegt hatte. An einem Song für ihr neues Duo-Album wollte sie arbeiten. „Und ,Find the  Grass‘  war eines der Stücke, bei denen ganz offen war, wie es weitergehen sollte.“ Mit einer Schreibblockade oder einem Wutanfall hatte die Papierzerkleinerung allerdings nichts zu tun. Es ging vielmehr um den luftigen Rhythmus, der sich aus dem fetzigen Klang von reißendem Papier gewinnen lässt. Auf dem nun fertigen Duo-Album ist das ungewöhnliche Instrument auch eigens angeführt: „Ángela Tröndle: Vocals, Piano, Synthesizers, Loops and ripping paper“.
Ergänzt wird die Vielseitigkeit der Sängerin, Pianistin und Komponistin bei den 13 Songs von Gitarren, Harfe und allerlei elektronischen Zutaten, mit denen Komponist und Gitarrist Pippo Corvino die Kompositionen Ángela Tröndles weiter  vertieft. Was auf dem Album „Getting Out of the Envelopes“ zu hören ist, klingt nach vertraulicher Nähe. Die vielen feinen Zwischentöne, von denen die Stücke leben, verraten dabei gar nicht, dass Corvino und Tröndle sich eigentlich zunächst nur aus dem Internet kannten.
Ein wenig gezögert habe sie zunächst schon, erzählt Ángela Tröndle, als Corvino ihr im Vorjahr schrieb, dass er ihre Musik im Netz entdeckt und einen eigenen Remix zu einem ihrer Songs gemacht habe. „Aber beim Anhören war mir gleich klar, wie gut das zusammenpasst. Das war die Richtung, in die ich hatte gehen wollen, ohne noch zu wissen, wie.“
Zwischen Popsongs im Soloformat und vielschichtigen Jazz-Werken für BigBands bewegt sich die Musikerin gern in immer wieder neue Richtungen. Zuletzt (nach einem Projekt mit der Lungau Big Band, das heuer fortgesetzt werden soll) hatte sie „2016 vor allem wieder mit Songs begonnen, die ich auch allein aufführen kann“.
Stattdessen stand das vergangene Jahr nun plötzlich im Zeichen intensiver Duo-Arbeit: „Nachdem Pippo mir seinen Remix geschickt hatte, begannen wir über das Internet gemeinsam weiterzuarbeiten – an meinen Songs und bald auch an gemeinsamen Stücken.“ Die eindringlich intimen Songs lassen nun auch hören, dass das Netz zu Unrecht meist als Medium für bloß oberflächlichen Gedankenaustausch hingestellt wird. Zwischen den Heimstudios wurden Ideen, Sounds und Arrangements hin und her geschickt. „Erst danach haben wir uns erstmals persönlich getroffen.“
Mittlerweile sind die Stücke, die von einer sphärischen Grundstimmung getragen werden, auch für die CD-Präsentationen längst im persönlichen Zusammenspiel erprobt. Die Erfahrung, Musik gleichsam aus der Distanz gemeinsam zu schreiben, wolle sie aber nicht missen, sagt Ángela
Tröndle: „Es ist spannend zu sehen, was passiert, wenn man wirklich nur die Musik allein für sich sprechen läßt.“

Clemens Panagl – 09.01.2017

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