NÖN | 10/2020

Die Toleranz des Jazz: Hollabrunnerin mit neuem Album Gina Schwarz stellt mit „Pannonica“ Jazzmusik mit einem ungewöhnlichen Thema ins Zentrum.

„Pannonica de Koenigswarter, geb. Kathleen Annie Pannonica Rothschild, war eine der wichtigsten Förderinnen des Modern Jazz.“ So steht es in ihrem Lexikon-Eintrag, und auch, dass sie mit Thelonious Monk, der sich für ihr selbstloses Tun als Gönnerin gleich mit mehreren ihr gewidmeten Kompositionen revanchierte, und seiner Familie eng verbunden war.

„Pannonica“ ist eine davon, und so lautet auch der Titel eines neuen Musikprojekts rund um die „Baroness der tiefen Töne“, Gina Schwarz, die einerseits das Mäzenatentum der Namensgeberin wieder in Erinnerung ruft und andererseits damit einen bewusst femininen „Hörblick“ eröffnet. Die NÖN sprach mit der Musikerin, die aus Hollabrunn stammt und lange Zeit an der hiesigen Musikschule tätig war, über die Toleranz des Jazz und das Weibliche am Jazz.

NÖN: Wie groß ist der Bezug zu Hollabrunn heute noch?

Gina Schwarz: Heute ist die Verbindung zu Hollabrunn meine Familie. In meinem Elternhaus sind Proberäume mit sämtlichen Instrumenten ausgestattet, die wir gerne zum Üben oder Komponieren am Land nutzen. Glücklicherweise gibt es ab und zu die Gelegenheit, in der Kulturmü‘µ zu konzertieren. Eventuell wird auch ein Konzert mit meiner neuen Formation „Pannonica“ in dieser netten Location zu hören sein. Meine Tochter Judith verbrachte in ihrer Kindheit und während ihres Studiums viel Freizeit in Hollabrunn und genoss ebenso Unterricht an der hiesigen Musikschule.

Ist es schwer, sich als Frau in der Jazz-Szene zu behaupten?

Die Zeiten, in denen man sich als Jazzpianistin als Mann verkleiden musste, um überhaupt eine Audition spielen zu dürfen, sind zum Glück vorbei. Trotzdem ist die Entwicklung der Gleichbehandlung sehr schwerfällig – mit Schritten nach vor und zurück. Da ich in einem gleichberechtigten Umfeld aufgewachsen bin, traf ich erst in der Musik – im Jazz – auf Rollenbilder und Machtverhältnisse und teils Männerbündelei. Diese Erfahrung war für mich grotesk. Es steht im Widerspruch zur Ideologie des Jazz: Freiheit, Weltoffenheit, Toleranz.

„Die Geschichte des Jazz ist die Geschichte der Verschmelzung von Kulturen“
Inwieweit ist Jazz ein Ausdruck für Toleranz?

Neben der Improvisation und der Freiheit sind Aufgeschlossenheit gegenüber neuem und Toleranz gegenüber dem, was man nicht kennt, als Eckpfeiler der Ideologie des Jazz zu nennen. Im Unterschied zur klassischen Musik wo es ein Klangideal zu erreichen gilt sucht man im Jazz nach einem unverkennbaren Sound der sich auch nichts vorschreiben lässt. Die Geschichte des Jazz ist die Geschichte der Verschmelzung von Kulturen, die sich vorher fremd waren. In meinen Kompositionen suche ich nach neuen Inspirationen: Sowohl afrikanische, lateinamerikanische und orientalische Einflüsse als auch Harmonien und Klänge der europäischen Musik und Rhythmen der afroamerikanischen Musik haben Platz in „Pannonica“.

Welchen Stellenwert hat das Wiener Porgy & Bess für Sie?

Dieser Club gehört zu den besten Jazzclubs Europas. Auch für meine Tochter war es schon ab der Pubertät das zweite Wohnzimmer. Generell spiele ich jährlich ein Konzert unter meinem Namen im Porgy. 2017 kam mir die Idee für ein besonderes Konzept: „Pannonica“. Christoph Huber, Kurator und Clubbesitzer, überzeugte das Projekt. Es freut mich besonders, dass sich nun der Kreis schließt und wir das Doppelalbum am 9. März im Porgy & Bess präsentieren dürfen.

Gibt es heute noch vergleichbare Jazz-Förderer wie die namensgebende Baroness?

Jazz verkörperte für sie Modernismus und Toleranz. Die Baroness unterstützte vor allem afroamerikanische Jazzmusiker, setzte sich auch für ihre Rechte ein. Jazz war ihr Leben. In Österreich kenne ich persönlich keine Förderer des Jazz. Jedoch gibt es finanzielle Unterstützung für Kunst, zum Beispiel durch das Bundeskanzleramt. In manch anderen Ländern sieht das nicht so rosig aus.

Christian Pfeiffer – 07. März 2020

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